BM-Interview mit Carsten Pinn, Gründer Pinncalc, und Dominik Hartmann, Geschäftsführer Pinncalc

»Wir müssen wissen, wie Handwerker arbeiten«

Seit fast dreieinhalb Jahrzehnten beschäftigt sich Carsten Pinn mit digitalen Lösungen für Tischler, Fensterbauer und holzverarbeitende Betriebe. Jetzt fand Pinn mit einem deutschen Investor einen Partner, der mit Pinncalc und weiteren Softwarehäusern den Softwaremarkt für Handwerker auf ein neues Level heben will.
CHRISTIAN RICHARD GÜLDE

Pinn startete mit einer Lösung für den elterlichen Betrieb, um Fenster mit weniger Ausschuss zu produzieren, entwickelte daraus die Auftragsbearbeitung Corpora und ergänzte sie durch das Zeichenprogramm DaVinci. Dies alles organisierte Pinn neben seinem Studium, und das Projekt Pinncalc nahm sehr schnell Fahrt auf.

Von Anfang an setzte Carsten Pinn darauf, dass die Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt, insbesondere in der Hotline, gelernte Tischler, Schreiner oder Holztechniker sind. Denn er ist davon überzeugt, dass beim Thema Software damals wie heute die Perspektive des Anwenders entscheidet. So entstanden im Laufe der Jahre maßgeschneiderte Lösungen, die sowohl für den Einzelkämpfer als auch für Betriebe mit kombinierten Lösungen passen – vom ERP und CAD bis hin zur CNC.

Als in den letzten Jahren zunehmend die Frage nach einem Nachfolger in den Fokus rückte, fand Pinn mit einem deutschen Investor einen Partner, der mit Pinncalc und weiteren Softwarehäusern den Softwaremarkt für Handwerker auf ein neues Level heben will. Dafür soll das starke Netzwerk aus Branchenspezialisten und strategischen Partnern des Investors sorgen, das sich für die Weiterentwicklung der beteiligten Technologieunternehmen einsetzt. Über die Details und künftige Angebote sprachen wir mit Carsten Pinn und dem neuen Pinncalc-Geschäftsführer Dominik Hartmann.

BM: Herr Pinn, wann fassten Sie den Entschluss – den Sie jetzt in diesem Interview erstmalig öffentlich machen –, die Verantwortung für Ihr Unternehmen in andere Hände zu legen ?
Carsten Pinn: Vor rund drei Jahren habe ich damit begonnen, mir über meine Nachfolge Gedanken zu machen, denn so eine Entscheidung braucht Zeit. Ganz wichtig war mir, dass Pinncalc weiter am Markt bestehen bleibt, denn unsere Kunden, ob seit Anbeginn dabei oder gerade neu eingestiegen, und auch meine Mitarbeiter sollten die Sicherheit haben, dass es weiter geht.

BM: Wie sind Sie an die Nachfolgeregelung herangegangen?
Carsten Pinn: Wenn man über 34 Jahre ein Unternehmen aufgebaut hat, dann steckt sehr viel Herzblut darin. Ich wollte es keinem Investor übergeben, der nur das schnelle Geld machen will und dem Kunden und Mitarbeiter egal sind. Deshalb habe ich mich zunächst bei Mitbewerbern umgehört, aber leider führten diese Gespräche nicht zum erhofften Erfolg. Auf der Suche nach Alternativen für eine Unternehmensnachfolge, stieß ich schließlich auf einen deutschen Investor, der das Geld deutscher Anleger und Pensionskassen verwaltet. Dieser bot dann die besten Voraussetzungen, um Pinncalc sicher in die Zukunft zu führen.

BM: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für das Interesse dieser Art von professionellen Anlegern?
Dominik Hartmann: Diese Anleger kennen die Branche genau, und sie wissen, dass die notwendigen Investitionen in die neuen und notwendigen Technologien auch von größeren Softwarehäusern wie Pinncalc in Zukunft nicht alleine zu stemmen sind. Die Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, vernetztes Arbeiten und auch der künstlichen Intelligenz werden nur Unternehmen annehmen können, die das nötige Kapital und die nötige Anzahl an Kunden haben.
Carsten Pinn: Das war dann auch der Grund, warum ich mich damit beschäftigt habe, ob nicht auch ein Investor als Nachfolger in Frage kommt – und mithilfe eines Experten für Fragen zur Unternehmensnachfolge wurde ich ja auch bald fündig.

 

 

BM: Woran haben Sie festgemacht, dass der gewählte Geldgeber der richtige ist?
Carsten Pinn: Schon bei den ersten Gesprächen wurde mir klar, dass dieser Investor den Handwerksmarkt versteht und ähnlich wie Pinncalc denkt – langfristig und anwenderorientiert. Also genau so, wie es mir wichtig ist. Es folgten dann schnell weitere Gespräche und dann, nach viel Papierkram, die entscheidende Unterschrift.
Dominik Hartmann: Am 1. April wurde Pinncalc nach der Firma M-Soft die zweite und sicherlich nicht letzte Tochter einer Unternehmensgruppe, die im Raum DACH den Softwaremarkt im Bereich Handwerk nachhaltig verändern wird. Als neuer Geschäftsführer von Pinncalc freue ich mich auf die Aufgabe, diese Gruppe aufzubauen. Hierbei werde ich viele Erfahrungen aus meinen vorherigen Rollen im Cloud Partner Geschäft bei Microsoft und als Geschäftsführer der Lexware einbringen können.

BM: Wie wird Ihre Zukunft aussehen, Herr Pinn?
Carsten Pinn: In den nächsten Jahren werde ich noch als Berater für Pinncalc tätig sein, denn wir wollen den Übergang gleitend gestalten. Unsere Anwender können sicher sein, dass Pinncalc weiterhin mit der gewohnten Kompetenz und Mannschaft, aber gesteigerter Innovationskraft für sie da ist.

BM: Wie hat Ihre Belegschaft den Einstieg eines Investors aufgenommen?
Dominik Hartmann: Auch im Bereich der Mitarbeiter mussten natürlich Fragen beantwortet und Vertrauen aufgebaut werden. Carsten Pinn und ich arbeiten hier vertrauensvoll zusammen und die Mitarbeiter sind bereit, den neuen Weg aktiv mit zu gestalten.
Carsten Pinn: Ich bleibe meinem alten Unternehmen ja noch einige Zeit erhalten und hoffe, dass dies von den Kollegen und Kunden für gut befunden wird, denn das eine oder andere habe ich noch beizutragen.

BM: Und wie wird die Zukunft von Pinncalc aussehen?
Dominik Hartmann: In den vergangenen Monaten konnten wir zeigen, dass unsere Kunden weiterhin gut bei Pinncalc aufgehoben sind und das wird auch so bleiben. Die Kundenzufriedenheit steht weiterhin an oberster Stelle und alle bekannten Ansprechpartner stehen wie gewohnt bereit, um zu helfen.
Carsten Pinn: Das ist auch einer der Gründe, warum wir den Verkauf erst jetzt kommunizieren. Denn so können wir sagen: „Schau mal, vor einem halben Jahr hat der Eigentümer gewechselt, und Du hast es nicht mal bemerkt. Weil für Dich alles beim Alten geblieben ist.“ Der Kontakt zum Kunden bleibt also eng.

 

 

BM: Es wird aber sicher auf Seiten der Unternehmensentwicklung nicht alles beim Alten bleiben, wenn die Herausforderungen der Digitalisierung gemeistert werden sollen?
Carsten Pinn: Das ist richtig. So wird M-Soft die Web-Shop Schnittstelle if-to-Shop mit weit über einer Million Artikeln des Handels in seine Software integrieren und im Gegenzug wird P Corpora aus dem Hause Pinncalc um das Dokumentenmanagementsystem (DMS) der Firma M-Soft erweitert. Synergien werden genutzt und Energien gebündelt. Dass so schnell weiterer Zusatznutzen für unseren Kunden geschaffen werden kann, freut mich besonders.
Dominik Hartmann: Natürlich wird sich im Laufe der nächsten Jahre auch aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung einiges ändern. Das Handwerk wird sich dem nicht verschließen können und es werden sich viele Betriebsabläufe durch den Einsatz neuer Technologien verändern. Weshalb sollte künstliche Intelligenz dem Handwerker nicht zukünftig die lästige Buchhaltung abnehmen oder bei der effizienten Einsatzplanung seiner Mitarbeiter unterstützen?

BM: In welche Richtung wird sich Ihrer Meinung nach der Einsatz von Software in den kommenden Jahren entwickeln?
Dominik Hartmann: Zukünftig wird sich webbasierte Software am Markt durchsetzen. Erst in kleineren Handwerksbetrieben, und dann auch zunehmend in produzierenden Unternehmen mit CAD- und CAM-Software. Diese vernetzte Welt bedeutet für Softwarehersteller jedoch wesentliche Neuentwicklungen heute vorhandener Softwarelösungen und somit eine gewaltige Herausforderung. Diese neuen Plattformen werden letztlich zu Marktplätzen, die alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette nahtlos miteinander verbinden.
Carsten Pinn: Hier sind wir den ersten Schritt mit der Integration der WEB-Shops diverser Lieferanten in unserer Software P Corpora schon gegangen. Das spart dem Handwerker bei der Artikelrecherche und Warenbeschaffung schon aktuell sehr viel Zeit, gerade heute bei hoher Auslastung ein sehr knappes Gut.

BM: Wie wollen Sie sicherstellen, dass sowohl die Anwender als auch die Investoren Ihren Weg mitgehen?
Dominik Hartmann: Wie bereits angesprochen kann dieser grundsätzliche Wandel nur von Unternehmen umgesetzt werden, welche die nötigen großen Investitionen leisten können. Unsere wachsende Unternehmensgruppe aus Softwarehäusern rund um das Handwerk soll genau das schaffen und das Handwerk in die digitale Zukunft begleiten. Wir haben einen deutschen Investor an unserer Seite, der mit uns nachhaltig diese Zukunft gestalten wird. Darüber hinaus müssen wir genau wissen, wie Handwerker in Zukunft arbeiten wollen. Und natürlich müssen wir unsere Kunden und Mitarbeiter auf dem Weg in eine digitale Zukunft begleiten und diese dazu ermuntern diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Aber dies nicht unpersönlich und technisch- abgehoben, sondern persönlich und Anwender- orientiert. So wie es immer war bei Pinncalc.

Die Fragen stellte Christian Richard Gülde.